Wissenswertes
Im April 1877 startete die Bärenbräu als erste heimische Braustätte mit dem Verkauf von Flaschenbier. Dem Trend schlossen sich in der Folgezeit immer mehr Brauereien an. Von besonderer Bedeutung für die Akzeptanz beim Verbraucher war die Einführung eines patentierten Verschlusssystems, denn zum einen verschloss er die Flasche luftdicht und zum anderen konnte man die Flasche beliebig öffnen und verschließen. Zu dieser Zeit ließ jede Brauerei eigene Bierflaschen mit dem Namen auf dem Dekor herstellen. Dies trug zur Markenbindung bei und machte deutlich, wem die Flasche gehörte. Trotz eines Pfandsystems war die Rückführung der Flaschen an die jeweilige Brauerei jedoch mangelhaft und führte letztlich dazu, dass die Flasche mit individueller Prägung nach dem 2. Weltkrieg eingestellt wurde.
Herstellungsarten
Bei der Herstellung von Glasflaschen unterscheidet man generell zwischen mundgeblasenen und maschinell gefertigten Exemplaren. Der Übergang von der manuellen Flaschenherstellung zur industriellen Massenproduktion hat sich in verschiedenen Etappen entwickelt, die sich an den Flaschen meist recht gut nachvollziehen lassen:
– Die frühesten Bierflaschen wurden in freier Drehung hergestellt. Dazu formte der Glasbläser einen Hohlkörper, den er unter gleichmäßiger Drehung in eine halbrunde Metallform drückte, so dass der Flaschenkörper rund wurde. Solche Flaschen weisen radiale Schleifspuren auf. Auch das nachträgliche Aufbringen eines Schriftzugs mittels Ätzung war zeitaufwändig und teuer. Viele Brauereien verwendeten daher Flaschen ohne Kennung, diese lassen sich heute nicht mehr einer bestimmten Braustätte zuordnen. Sie wurden bis etwa 1900 hergestellt, in kleineren Glashütten auch noch etwas länger.
– Die Verwendung von Metallmodeln stellte eine entscheidende Weiterentwicklung in der Flaschenherstellung dar. Dazu wurde die Glasbläserpfeife in einen aufgeklappten Model eingeführt, der Model geschlossen und die Glasmasse vom Glasbläser in die Hohlform ausgeblasen. Erst in einem weiteren Arbeitsschritt wurde mit einer Zange der Flaschenkopf (Mundstück) aufgesetzt. In die Model war eine Negativform eingelegt, die auf dem Flaschenkörper ein positives Relief hinterließ. Sammler sprechen deshalb von Relief- oder Prägeflaschen. Dieses Herstellungsverfahren für mundgeblasene Flaschen wurde – je nach Glashütte – bis etwa 1920 angewendet.
– Michael Joseph Owens entwickelte 1903 in den USA die erste Maschine zur automatischen Flaschenherstellung. In Deutschland wurde die erste nach ihrem Erfinder benannte Owens-Maschine im Jahr 1908 aufgebaut, und etwa ab 1915 tauchen auch bei den Bamberger Brauereien maschinell hergestellte Flaschen auf. Im Gegensatz zu mundgeblasenen Flaschen sind industriell produzierte nahezu identisch, weisen eine glatte Oberfläche und ein geringeres Gewicht auf. Auch die Prägung konnte mit Flaschenautomaten viel filigraner aufgebracht werden. Viele große Brauereien ließen oftmals über 100.000 Exemplare produzieren, so dass diese Exemplare bei Sammlern nicht sonderlich gefragt sind.
Glasherstellung zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer US-amerikanischen Glashütte: Zwei Glasbläser blasen abwechselnd die Glasmasse in eine Model, die von einem dritten Arbeiter bedient wird. Quelle: Phil Perry | Owens-Illinois Glass Company
Mundgeblasen oder maschinell hergestellt?
– Mundstück
Das sicherste Identifikationsmerkmal einer mundgeblasenen Flasche ist das nachträglich aufgesetzte Mundstück. Herstellungsbedingt wurde nämlich zuerst der Flaschenkörper geformt, ehe der Flaschenkopf mit den Löchern für den Bügelverschluss angefügt wurde. Am Übergang zwischen Flaschenhals und Mundstück ist der nachträgliche Aufsatz meist gut an einer kleinen Wulst zu erkennen. Sind Mundstück und Flaschenkörper hingegen „aus einem Guss“ entstanden, ist die Flasche maschinell hergestellt.
– Oberfläche
Die meisten mundgeblasenen Flaschen haben eine unruhige, leicht wellige Oberflächenstruktur. Diese entsteht, wenn die heiße Glasmasse mit dem deutlich kälteren Model in Kontakt kommt. Hält man eine mundgeblasene Flasche gegen das Licht, dann erkennt man die typische Oberflächenstruktur gut. Auch Lufteinschlüsse im Glas, Verdickungen im Flaschenboden oder Farbunterschiede weisen auf eine manuelle Fertigung hin. Maschinell hergestellt Flaschen haben hingegen eine sehr glatte Oberfläche.
– Relief
Viele mundgeblasene Flaschen haben ein relativ grobes Relief: Die Buchstaben sind meist recht groß und in der Linienführung nicht exakt. Erst maschinell produzierte Flaschen ermöglichten fein ziselierte Reliefs und Buchstaben.
– Boden
Auch ein dicker Flaschenboden kann auf eine manuelle Herstellung hindeuten, weil die Glasmasse im flüssigen Zustand nicht gleichmäßig verteilt wurde. Alte Flaschen haben meist einen schweren Boden und verfügen in der Regel über keinerlei Hüttenzeichen oder Glasmarken auf dem Flaschenboden.
Altersbestimmung
Die Frage nach dem Alter einer Flasche ist nicht immer einfach zu beantworten. Meist liefert eine Flasche mehrere Hinweise, die das Herstellungsjahr zumindest näherungsweise bestimmbar machen. Allerdings sind manche Kennzeichen auch scheinbar widersprüchlich. Hier eine Auswahl verschiedener Kriterien, die bei der Altersbestimmung hilfreich sind.
– Jahresangabe
Die einfachste und genaueste Art der Altersbestimmung liefert eine auf dem Flaschenboden angebrachte Jahreszahl. Dies kommt sehr häufig bei Flaschen aus den 1920er und 1930er Jahren vor, aber auch in der Nachkriegszeit wurden viele Flaschen mit dem Jahr der Herstellung markiert.
– Herstellungsart
An den Bierflaschen lassen sich verschiedene Innovationen in der Glasproduktion gut nachvollziehen: Die ältesten Glasflaschen wurden in freier Drehung mundgeblasen. Ab 1890 dominieren mundgeblasene Flaschen, die in einem Holz- bzw. Metallmodel hergestellt wurden. Etwa ab 1920 finden sich fast nur noch Flaschen, die ganz oder teilweise maschinell produziert wurden. Schwierigkeit bei dieser Art der Altersbestimmung: Die Herstellung liefert in erster Linie Rückschlüsse über den technologischen Stand der Glashütte, nicht aber über das Alter. Moderne Glashütten produzierten bereits 1915 komplett mit Automaten, während weniger fortschrittliche Hütten noch 1925 mundgeblasene Flaschen herstellten. Auch kleinere Aufträge wurden möglicherweise noch manuell gefertigt, während größere Mengen bereits in der Maschine gefertigt wurden.
– Aufschrift
Einen wichtigen Hinweis auf das ungefähre Alter kann die Aufschrift auf der Flasche geben. Bei älteren Flaschen sind oftmals die Namen der Brauereibesitzer aufgeprägt, so dass man anhand von Adressbüchern nachvollziehen kann, wann die Brauerei diesem Besitzer gehörte. Weitere Datierungshilfen liefern geänderte Brauereinamen – beispielsweise wurde die Brauerei „Frankenbräu“ 1900 in „Hofbräu Bamberg“ umbenannt.
– Rechtschreibung
Mit der Rechtschreibereform von 1901, die ein Jahr später in allen deutschprachigen Staaten in Kraft trat, änderten sich viele Schriftweisen. So wurde beispielsweise das „th“ in deutschen Wörtern durch „t“ ersetzt. Der auf vielen Flaschen angebrachte Hinweis „Eigenthum der Brauerei“ lässt eine Entstehung vor 1902 vermuten. Allerdings wurde die Reform ab 1902 nicht überall mit letzter Konsequenz umgesetzt, so dass es wohl auch Flaschen mit diesem Aufdruck gibt, die erst nach 1902 entstanden sind.
– Normierung
Ab dem Jahr 1936 durften nur noch normierte Flaschen in den Verkauf gelangen. Das heißt, der Flaschenkörper musste eine verbindliche Angabe über die Inhaltsmenge tragen. Die Kennzeichnung erfolgte meist auf dem Flaschenboden, seltener auch auf der Schriftseite der Flasche. Flaschen mit einer geeichten Inhaltsangabe sind also in der Regel erst nach 1935 entstanden.
– Farbe
Früher waren die meisten Bierflaschen aus grünem oder grünlichem Glas, mittlerweile sind sie nahezu alle braun. Das braune Glas schützt das Lebensmittel Bier besser vor Licht. Es gibt aber auch sehr alte Flaschen, die braun waren – die Farbe des Glases bietet deshalb leider keinen geeigneten Indikator, um das Alter einer Flasche zu bestimmen. Aber: Alte Flaschen haben oftmals keine gleichmäßige Farbmischung, sondern sind an einigen Stellen heller oder dunkler.
– Verschluss
Früher wurden Flaschen mit einem Korken verschlossen, ab 1875 nutzten die Brauer den patentierten Bügelverschluss. Dazu gab es auch Flaschen, die über einen Drehverschluss mit innliegendem Gewinde verfügten. Erst nach dem zweiten Weltkrieg setzte sich der Kronkorkenverschluss durch, da er günstiger und hygienischer war. Die Altersdatierung einer Flasche über den Verschluss ist somit nur ganz grob möglich. Die erste Brauerei unserer Region, die auf den Kronkorken setzte, war die Bamberger Hofbräu. Bereits Anfang der 1930er Jahre begann sie, Bierflaschen auch mit Kronkorken zu verschließen – vermutlich für den Export. Im Gegensatz dazu hielten viele kleinere Braustätten bis in die 1960er Jahre am Bügelverschluss fest.
Glashütten
Mit der Automatisierung der Flaschenherstellung begannen die Glashütten, ihre Produkte mit einer Herstellermarke zu kennzeichnen. Diese Signaturen finden sich ausschließlich auf dem Boden der Flasche und geben Herkunft über den Standort, an dem die Flasche hergestellt wurde.
Soweit sich das anhand vorhandener Flaschen nachvollziehen lässt, hat die Mehrzahl der Bamberger Brauereien ihre Flaschen bei ortsnahen Glashütten in Auftrag gegeben. Die meisten Bamberger Flaschen, die mit einer Glasmarke versehen sind, stammen von der Firma Wiegand-Glas aus Steinbach am Wald (Landkreis Kronach). Flaschen von Wiegand, die nach 1920 hergestellt wurden, erkannt man an einem „w“ in der Bodenprägung, meist mit einem Kreis herum. Außerdem gibt es weitere Flaschen mit einem „F“ in einem Kreis, das war das Hüttenzeichen der Glashütte in Amberg.